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Ernährungsbildungskonzept Schule des Essens – ein Bericht

Ernährungsbildungskonzept Schule des Essens – ein Bericht. Die Schule des Essens (SdE) ist ein Ernährungsbildungskonzept, das inhaltlich ganzheitlich und methodisch innovativ ist: Durch viel praktisches Tun, hauptsächlich im zentralen Lernort Küche, sollen Kinder und Jugendliche implizit und explizit Wissen und Kompetenzen in möglichst allen Aspekte der nachhaltigen Ernährung erwerben.

Die Schule des Essens ist darüber hinaus eine Studie, deren Ziel ist es ist, die Umsetzung des gleichnamigen Ernährungsbildungsbildungskonzeptes in Schulen zu testen, zu evaluieren und zu adaptieren, um seinen Einzug in die österreichischen Schulen zu erleichtern.

Auf der Basis der Ergebnisse der Machbarkeitserhebung (Rathmanner und Geßl, 2014) sowie der Prä-Pilotphase (Fičala et al., 2015) fand im Projektzeitraum August 2015 bis Juli 2017 die Pilotphase an drei Schulen statt.

Ziel dieser Pilotphase war es, drei Szenarien der möglichen Umsetzung der SdE in Schulen zu testen, die quantifizierbaren Veränderungen, den Prozess, die Zufriedenheit aller Beteiligten sowie eingesetzte Materialien und Methoden zu evaluieren und daraus Ableitungen für die nächste Projektphase zu entwerfen.

Darauf aufbauend wurde in der Projektphase 3 im Projektzeitraum 2017-2019 ein umfangreiches Handbuch für Pädagog*innen entwickelt.

Aktivitäten in der Pilotphase

Szenario 1 war fächerübergreifender SdE-Unterricht an einer 2. Klasse einer Wiener NMS. Unter der Anleitung von PädagogInnen aus den Disziplinen Biologie, Deutsch, bildnerische Erziehung, Mathematik, Bewegung und Sport sowie Musik beschäftigten sich die 23 SchülerInnen, viele von ihnen mit Migrationshintergrund, ein Semester lang mit unterschiedlichen Aspekten rund ums Essen. Das FiBL fungierte als Impulsgeber, wissenschaftliche Beratung und setzte selbst fünf praktische Einheiten um, die hauptsächlich in der Küche, aber auch in einem Supermarkt und auf einem Bio-Bauernhof stattfanden.

In Szenario 2 kam eine 2. Klasse einer Wiener Volksschule für fünf Vormittage in ein externes Kochstudio. Unter FiBL-Anleitung kochten und genossen die 23 SchülerInnen, sehr viele von ihnen mit Migrationshintergrund, jedes Mal zweigängige Menüs, daneben fand Informationsvermittlung statt. Zwei FiBL-geleitete Einheiten fanden in der Schule statt.

Schauplatz von Szenario 3 waren vier Ganztagesklassen einer Volksschule in Niederösterreich. Die insgesamt 65 SchülerInnen beschäftigten sich jeweils eine Projektwoche lang ganztägig unter FiBL-Anleitung sehr praxisorientiert mit verschiedenen Aspekten rund ums Essen. Auch hier fanden die Aktivitäten hauptsächlich in der Küche, gelegentlich in der Klasse und je einmal in einem Supermarkt und auf einem Bio-Bauernhof statt.

Mit allen beteiligten PädagogInnen gab es Kick-Offs: mindestens ein Treffen, das der Projekteinführung, einer kleinen Fortbildung zu Inhalten und Methodik der SdE sowie der Planung der Aktivitäten diente.

Darüber hinaus fanden vier MultiplikatorInnen-Fortbildungen außerhalb der beteiligten Schulen statt.

In allen Szenarien kamen teilweise bereits existente, vorab vom FiBL ausgesuchte, sowie neu erarbeitete didaktische Materialien und Methoden zum Einsatz.

In allen drei Szenarien waren Bio-Lebensmittel als (fast) ausschließliche Zutaten immer präsent.

Ergebnisse

Alle drei Szenarien erwiesen sich als gut umsetzbar. Schlüsselfaktoren für die erfolgreiche Umsetzung waren dabei die Unterstützung seitens der Direktion und des Engagements der beteiligten PädagogInnen, die Leistungen des FiBL (Leitung von Einheiten, Impulsgeber, fachliche Beratung, Materialien) sowie die vorab geklärte Finanzierung. Die Rückmeldungen aller Beteiligten (SchülerInnen, PädagogInnen, DirektorInnen, Eltern) waren äußerst positiv.

Insgesamt waren alle drei Szenarien geeignet, viele Ziele der SdE zumindest teilweise zu erfüllen. Auch trugen die Interventionen wie erwartet bei, den Erwerb eines Großteils so genannter überfachlicher Kompetenzen zu unterstützen, die laut BMG sozusagen die Überziele der Pflichtschulbildung darstellen.

Das praktische Tun als Haupt-Methodik, insbesondere die Küche als zentraler Lernort, erwiesen sich als erfolgreich: Die SchülerInnen kochten mit größter Begeisterung, sie waren bereit, neue Lebensmittel und Speisen zu probieren, die sie zuvor selbst zubereitet hatten. Zwei quantifizierbare Ergebnisse waren herausragend: Die SchülerInnen aus Szenario 1 gaben zu Interventionsende deutlich häufiger an, vegetarisches Essen zu mögen, und alle SchülerInnen aus Szenario 3 konnten zu Interventionsende das EU-Bio-Zeichen korrekt identifizieren, die meisten aus Szenario 1 konnten dies auch ein halbes Jahr nach Interventionsende.

Die explizite Wissensvermittlung war herausfordernd, Aufgeregtheit, Unkonzentriertheit und Lärmpegel waren häufig hoch. Die schlechten Lesekompetenzen, Deutsch-Verständnisschwierigkeiten sowie der extrem niedrige Wissensstand zu landwirtschaftlichen Themen der Wiener VolksschülerInnen waren hier große Hürden.

Beim Lebensmittel- und Bio-Wissen herrschen große Wissenslücken bei allen SchülerInnen. Die Interventionen erzeugten generell keine nennenswerten Verbesserungen im Ernährungs-, Lebensmittel- und Bio-Wissen (mit Ausnahme der Kennzeichnung), auch nicht im Ernährungsverhalten der SchülerInnen. Die angestrebten sozialen Veränderungen (Selbstwirksamkeitserfahrungen, Aufbau von Selbstvertrauen, Verbesserung der Sozialkompetenzen und des interkulturellen Verständnisses) konnten wir kaum feststellen. Was aber gelang: Wir haben SchülerInnen ganz unterschiedlicher sozialer Milieus erreicht, auch jener, bei denen erfahrungsgemäß wenig Ernährungsbildung im Elternhaus stattfindet.

Der Großteil der eingesetzten didaktischen Materialien und Methoden erwies sich als gut geeignet.

Eine gewisse Transferwirkung der SchülerInnen auf ihr soziales Umfeld, insbesondere ihre Eltern, konnten wir feststellen.

Die SchülerInnen haben großes Potenzial, als Bio-BotschafterInnen zur weiteren Markterschließung beizutragen. Das gilt auch für die beteiligten PädagogInnen.

Ableitungen für die Zukunft

Auf der Basis unseres theoretischen Schule-des-Essens-Konzeptes und der Ergebnisse der vorliegenden Pilotphase ergeben sich für uns folgende Ableitungen für die nächste Projektphase: Von 2017 bis 2020 soll die SdE auf 20 Schulen in drei Bundesländer ausgedehnt werden. Die Aktivitäten sollen längerfristig und regelmäßig stattfinden, wir denken an 30 Einheiten in wöchentlichem bis zweiwöchentlichem Abstand über ein oder zwei Schuljahre. Als geeignete Altersspanne sehen wir die dritte bis sechste Schulstufe. Besonders geeignet erscheinen uns Ganztagesschulen. Methodisch bleiben praktische Aktivitäten im Fokus, zentraler Lernort soll weiterhin die Küche sein. Inhaltlich bleibt das breite Konzept der Ernährungsökologie/nachhaltigen Ernährung.

VermittlerInnen sollen schuleigene PädagogInnen sein, denen kocherfahrene SdE-Buddies zur Seite gestellt werden. Alle Umsetzenden müssen eine Fortbildung absolvieren, sie müssen die Inhalte und das pädagogische Konzept der SdE mittragen.

Ein Schule-des-Essens-Büro soll eingerichtet werden, das als Kompetenzzentrum und Servicestelle für die Umsetzenden fungiert: Projektleitung, Projektmanagement, wissenschaftliche Begleitung, Evaluierung, Curricularerstellung, Erarbeitung der Anleitungen der einzelnen Einheiten, Aufbereitung von Hintergrundinformationen, Bereitstellen von didaktischen Materialien, Informationsdrehscheibe und Buddy-Vermittlung sind hier angesiedelt. Dafür muss das SdE-Leitungsteam personell aufgestockt werden.

Die SdE bleibt partizipativ, sie bindet SchülerInnen, PädagogInnen, DirektorInnen und Eltern in die Planung und Umsetzung ein.

Ein Stakeholder-Netzwerk soll aufgebaut werden, um der SdE auf eine breite Basis zu stellen. Öffentlichkeitsarbeit und Lobbying sollen verstärkt werden. Gespräche mit potenziellen UnterstützerInnen und KooperationspartnerInnen sollen gesucht werden. Dabei soll immer kommuniziert werden, dass die Schule des Essens nicht in Konkurrenz zu bestehendem Bewährten treten, sondern vielmehr Kräfte bündeln möchte. In diesem Sinne soll auch vermehrt an Initiativen der Verhältnisprävention in der Schule angeknüpft werden.

Besonders herausfordernd bleibt die Finanzierung.

Die Vision der Schule des Essens bleibt ein Pflichtschulfach „Essen“ über die gesamte Schullaufbahn.

Conclusio und Forderung

Wir wiederholen die schon in der Machbarkeitserhebung 2014 gestellte Forderung nach vermehrter inhaltlich umfassender und methodisch moderner Ernährungsbildung an Österreichs Schulen – im günstigsten Fall im Rahmen eines entsprechenden Pflichtschulfachs für alle österreichischen SchülerInnen über ihre gesamte Pflichtschulzeit hinweg.

Angesichts des erodierenden Ernährungswissens sowie der weiten Verbreitung eines ungünstigen Ernährungsverhaltens und der zunehmenden Prävalenz von ernährungsmitbedingten gesundheitlichen Herausforderungen halten wir es für einen gesellschaftlichen und gesundheitspolitischen Auftrag, Kindern und Jugendlichen das Rüstzeug zu vermitteln, sich den Herausforderungen einer imperfekten Ernährungsumwelt stellen zu können.

Die Forderung nach einem Schulfach ist visionär, wir haben sie von Anfang an auf maßvolle, konstruktive Schritte heruntergebrochen: Wie schon in der Machbarkeitserhebung 2014 belassen wir es auch jetzt nicht bei der Forderung, sondern legen zusätzlich zu unserem konkreten theoretischen Konzept Evaluierungen der ersten praktischen Erfahrungen der Pilotphase vor und ergänzen um konkrete Ableitungen für die nächste Projektphase.

Wir setzen mit der Schule des Essens auf verhaltenspräventive Maßnahmen, denken diese aber nicht in Konkurrenz, sondern als Ergänzung zur Verhältnisprävention in Schulen.

Generell denken und handeln wir kooperativ. Auf dem Gebiet der Ernährungsbildung gibt es viele hervorragende Initiativen, zu denen wir nicht in Konkurrenz treten möchten. Vielmehr sind wir jederzeit gesprächsbereit und bestrebt, Kräfte zu bündeln.

Auch wünschen wir uns die Schule des Essens als Multi-Stakeholder-Initiative. Durch ihre kooperative Ausrichtung, ihre inhaltliche Breite und ihre Wissenschaftlichkeit erwarten wir uns breite Unterstützung aus dem öffentlichen wie aus dem privaten Sektor.

Download Bericht Projektphase 2: Pilotstudie „Bio 3.0 macht Schule: Schule des Essens“

Zusammenfassung Projektphase 3: Handbuch für Pädagog*innen Bio 3.0 macht Schule: Schule des Essens“

Die pdf-Version des umfangreichen SdE-Handbuchs für Pädagog*innen schicken wir Ihnen bei Interesse per Downloadlink gerne zu. Die Dateigröße ist für den Uplaod auf dieser Website zu groß. E-Mail an office@freiland.or.at.


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